Montag, 11. Februar 2013

Meine Frost-Nacht im 40-km-Stau


Meine Frost-Nacht im 40-km-Stau

Der Blick durch die Windschutzscheibe unseres Reporters auf die A 9 – stundenlang ging zwischen den Ortschaften Lederhose und Rudolphstein nichts...hier stand unser BILD am SONNTAG-Reporter Jürgen Damsch bis in die Nacht hinein



Hunderte Autofahrer verbrachten eine Nacht auf der A 9. Weil Lastwagen die schneeglatte Fahrbahn blockierten, bildete sich in Thüringen ein bis zu 40 Kilometer langer Stau. Er löste sich erst am Samstagmorgen auf. Auch unser Reporter Jürgen Damsch war eingeschlossen. Ein Protokoll aus der Kälte
Mit Navis verhält es sich ähnlich wie mit gut gemeinten Ratschlägen von Ehefrauen: Manchmal ist es einfach besser, auf sie zu hören – auch wenn man meint, es besser zu wissen.
Freitag, 15 Uhr: Auf dem Heimweg nach Berlin. Als das Schneetreiben auf der A 9 in Thüringen dichter und dichter wird, sagt mein Navi: „Routenplanung wegen aktueller Verkehrsstörung geändert. Nehmen Sie die nächste Ausfahrt.“ Ich denke nur: Wieso das denn? Läuft doch noch alles hier.
15.10 Uhr: Ich bremse. Vor mir stehen die Autos. Stau. Ich bin Optimist und zünde mir eine Zigarette an.
16 Uhr: Im Radio erzählen sie nichts von dem Stau, ich schicke SMS an Kollegen, die sollen rausfinden, wie lange das hier noch dauern wird. Wütend betrachte ich die Gegenfahrbahn, wo die Autos munter vorbeirauschen
Kurz darauf kommen auch sie zum Stehen.
17 Uhr: Mit meiner Gelassenheit ist es vorbei. Ich bekomme Gewaltfantasien, will auf das Radio eintreten, mein Monster-Stau wird immer noch nicht erwähnt.
18 Uhr: Mein Rücken tut weh, seit Tagen schon, aber durch das Rumsitzen werden sie unerträglich. Dafür ist es endlich dunkel genug, damit ich an den Seitenstreifen gehen kann und pinkeln.
20 Uhr: Ich habe Hunger, und meine Zigaretten werden knapp. Jetzt wird es schlimm. Da leuchtet die „Bitte Tanken!“-Anzeige auf. Ich schalte den Motor aus, Benzin für die Heizung ­sparen.
20.30 Uhr: Ich steige aus und wandere zwischen verschneiten Autos entlang bis zu einem Lkw mit polnischem Kennzeichen. Für zehn Euro kaufe ich dem Fahrer eine Tüte Kekse ab. In seiner warmen Fahrerkabine werde ich unterkriechen, wenn in meiner Karre der Sprit erst mal verbraucht ist und der Kältetod droht. THW-Helfer verteilen Tee und Decken.
Irgendwann vor Mitternacht, ich habe noch Benzin, bewegen sich die Autos plötzlich wieder.
Bei der nächsten Ausfahrt verlasse ich die Autobahn, übernachte in einer Pension.
Ich hab es noch gut getroffen.
Am nächsten Morgen, beim gemütlichen Frühstück im Hotel, erfahre ich, dass die letzten Stauopfer erst um fünf Uhr morgens weiterfahren konnten.

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